New Work - Hand aufs Herz

Vor einigen Wochen haben wir mit Erika und Bernhard über den Trend der flexiblen Arbeitsmodelle gesprochen. Dabei handelt es sich nur um einen Aspekt den New Work mit sich bringt. Was steckt noch dahinter?

New Work, insbesondere mobiles Arbeiten, impliziert die Möglichkeit von Selbstbestimmtheit und Freiheit. Also die perfekte Basis für eine solide Work-Life-Balance – oder doch nicht? Kann es sein, dass doch eher von einem Work-Life-Blending auszugehen ist?

Wie einfach ist es, seinen Alltag selbstbestimmt zu gestalten und die Freiheiten, die sich durch das mobile Arbeiten ergeben können, wirklich zu nutzen? Und sind diese Freiheiten wirklich immer ein Vorteil? Wie wird die Arbeit dadurch beeinflusst? Wie wird die Zusammenarbeit mit den Kunden beeinflusst?

Um das herauszufinden, wollten wir einen ersten Eindruck gewinnen und haben nachgefragt:


Wir haben Kollegen gefragt, wie es wirklich läuft

Im ersten Teil stellen wir euch die Antworten von Markus Reich und David Dietrich vor.

Mit welchen Herausforderungen siehst du dich im Homeoffice konfrontiert und wie gehst du damit um?


Markus: Aus meiner Sicht bleiben durch Homeoffice (egal ob von mir, von Kollegen oder beiden) viele Möglichkeiten für kurzfristige Abstimmungen, Klärungen und Informationsaustausch auf der Strecke. Stattdessen ist man bei persönlichem Gesprächsbedarf viel häufiger damit beschäftigt in Kalendern freie Zeitslots zu suchen und nicht immer zu finden. Auch bekommt man im Homeoffice viel weniger an sonstigen Informationen und Themen mit, die vielleicht auch für andere wichtig gewesen wären oder zu denen man hätte etwas beitragen können.

David: Da meine Lebenspartnerin selbst nicht im Homeoffice arbeitet und wir auch sonst keine Kinder oder Haustiere haben, habe ich zuhause Ruhe und kann mich ohne Ablenkung auf die Arbeit konzentrieren. Das eigene Büro als separater Raum hilft dabei ebenfalls sehr. Die Ablenkung während der Arbeit ist daher kein Thema, aber die notwendige Abgrenzung zwischen Arbeitsstätte und Rückzugsort ist oftmals etwas schwer, weil beides doch teilweise verschwimmt. Ich schaue dann doch oft „schnell“ noch etwas nach oder erledige noch „schnell“ etwas, obwohl die Bürotür geschlossen bleiben sollte.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Arbeit mit Kunden? Hat sich in den letzten Jahren seit Corona bzgl. Homeoffice und der Arbeit mit Kunden etwas geändert?

Markus: Vor Corona und regelmäßigem „Homeofficing“ war ich i.d.R. 5 Tage pro Woche vor Ort beim Kunden. Sowohl während Corona (z.T. bis zu 100%) als auch aktuell (ca. 40%) arbeite ich auch verstärkt im Homeoffice. Meine Wohnsituation hat sich aber in der ganzen Zeit nicht verändert und deshalb ist meine größte Herausforderung, dass ich kein eigenes Arbeitszimmer habe. Für mich bedeutet Homeoffice also nicht nur mehr Flexibilität, sondern auch die Blockade von familiärem Wohnraum durch einen Pseudo-Arbeitsplatz mit 2 Rechnern und dauerndes Auf- und Abbauen desselben.

David: Das Arbeiten aus dem Homeoffice war für mich schon immer normal, da ich zuvor in Dresden gearbeitet, aber auf der Schwäbischen Alb gewohnt habe. Ich war die Arbeit online sowohl mit Kunden als auch intern so gewohnt und hatte zugegeben sehr wenig Probleme damit. Was für viele eine Umstellung für Corona erforderte, war für mich schon immer „normal.“

Es ist aber tatsächlich so, dass Kunden dazu neigen zunehmend mehr Termine auf Online-Termine zu verschieben, obwohl das oft nicht zu empfehlen ist. Workshops, Entscheidungsfindung, Schulungen oder Jahresgespräche sollten immer persönlich organisiert werden. Bei gewissen Themen müssen die Menschen sich treffen, sich in die Augen sehen und auch persönlich austauschen. Online-Meetings nehmen viel an Atmosphäre weg und können Emotionen nicht so spürbar machen, wie es persönliche Meetings an sich haben. Außerdem habe ich bei einem persönlichen Meeting meist die ungeteilte Aufmerksamkeit, welche beim Online-Meeting schnell verloren gehen kann. Das kann schnell anstrengend und ärgerlich werden.

Was ist deine Idealwelt: Homeoffice, hybrid, im Büro oder sogar Workation? Wieso sieht sie so aus?

Markus: Ich bevorzuge die hybride Variante mit 3-4 Bürotagen. So habe ich auf der einen Seite genug persönliche Interaktion mit Kollegen und auf der anderen Seite auch ausreichend Flexibilität, um von zu Hause arbeiten zu können, wenn es sinnvoll ist. Das Konzept Workation würde ich gerne auch mal für ein oder zwei Wochen ausprobieren. Ob ich zu Hause oder an einem tollen Ferienort im Hotel arbeite, macht keinen so großen Unterschied. Und auf den Feierabend kann man sich dann um so mehr freuen…

David: Tatsächlich würde ich eine hybride Situation bevorzugen, wenn das vom Arbeitsweg her angenehm machbar ist und auch die Kolleginnen und Kollegen mitziehen. Obwohl heute alles auch online erledigt werden kann, geht nichts über den regelmäßigen Austausch mit dem Team, auch wenn das vielleicht mal nur ein Kaffeeplausch oder ein gemeinsames Mittagessen ist und nichts mit der Arbeit an sich zu tun hat.

Ich finde die Idee der Workation spannend und würde das auch für mich in Betracht ziehen, allerdings nur unter bestimmten Rahmenbedingungen. Beispielsweise 2-3 Wochen mal irgendwo in Strandnähe arbeiten und dann eben den Morgen und Abend dort genießen und Neues erkunden, aber den Tag über möglicherweise doch Vollzeit arbeiten. Das klingt nach einer spannenden Mischung, um vieles von der Welt sehen zu können und das nicht immer nur in die 2-3 Wochen normalen Urlaubs legen zu müssen. Natürlich gehört dazu viel Eigenerziehung und Vertrauen, aber das sollte gut machbar sein.

Wie nimmst du die Entwicklung bei Kunden und/oder Kollegen wahr? (Entwicklung hin zu Homeoffice, Hybrid oder Büro?)

Markus: Egal ob bei Kunden, Kollegen oder im Freundeskreis: Es gibt für alle Varianten viele Befürworter. Es gibt sehr viele Personen, die aus unterschiedlichen Gründen absolute Homeoffice-Anhänger sind, sei es wegen eines langen Arbeitsweges oder der familiären Situation. Andere arbeiten lieber traditionell im Büro, z.B. um Berufliches und Privates klar zu trennen.  Auf die hybriden Möglichkeiten möchte aber heutzutage glaube ich keiner mehr verzichten. Ich finde es persönlich allerdings etwas überraschend, dass einige eine Art „Gewohnheitsrecht“ zum Homeoffice aus der Corona-Zeit ableiten und sich klar gegen häufigere Anwesenheit im Büro positionieren.

David: Inzwischen erkenne ich doch bei vielen vor allem größeren Unternehmen den Wunsch oder gar die Aufforderung, wieder mehr ins Büro zu kommen oder zumindest den hybriden Ansatz zu fokussieren. Viele Unternehmen arbeiten möglicherweise eben doch besser, wenn die Leute beieinander sind und direkt zusammen im Büro sitzen. Das kommt sicher aber auch auf Branche, Job und Persönlichkeit jedes Einzelnen an. Ich vermute, dass sich die reine Vorgabe, nur noch im Büro arbeiten zu dürfen, nicht mehr durchsetzt, es sich aber eher in Richtung hybrid einpendeln wird. Die meisten meiner Kontakte haben die freie Wahl zwischen Homeoffice oder Büro und entscheiden sich meist dennoch 3-4 Tage die Woche ins Büro zu fahren. Sie wissen aber um den Vorteil des Homeoffice und sind froh, diese Entscheidung selbst treffen zu dürfen.

Wie ist dein Fazit zu New Work, insbesondere zum mobilen Arbeiten?

Markus: Eine absolut positive Überraschung ist für mich zunächst einmal etwas, was mittlerweile als normal erscheint, was ich aber vorher nicht erwartet hätte: Wie gut und stabil die Technik funktioniert, z.B. dass Firmen-Netzwerke dauerhaft erreichbar sind und auch die Performance von Systemen in der Regel überzeugend ist. Die gestiegene Flexibilität finde ich auch sehr gut. Schwer dagegen tue ich mich aber noch mit meinem nicht vorhandenem dauerhaften Homeoffice-Arbeitsplatz.

David: Es ist in meinen Augen richtig, über neue Konzepte in der Arbeitswelt nachzudenken und nicht immer dem alten, klassischen Stil zu folgen. Durch die sozialen Medien und die außerordentlich gute, globale Vernetzung gibt es heute einen noch größeren Wunsch vor allem in jüngeren Generationen die Welt zu „erobern“ und ständig neues zu erkunden. Sich darüber Gedanken zu machen, wie sich diese Neugierde mit der Arbeitswelt verbinden lässt, ist nicht nur wichtig, sondern erforderlich.

Ich denke, dass hier vor allem wichtig ist, dass es um anderes Arbeiten und nicht zwangsweise um weniger oder gar kein Arbeiten gehen sollte. Unsere Gesellschaft hängt von der Wirtschaft ab und diese wiederum von genau den Leistungen der aktuellen und kommenden Generationen. Bisher hat sich Erfindertum und Fleiß in Deutschland immer bezahlt gemacht und unsere Wirtschaft und somit die Gesellschaft gefestigt. Es braucht also flexible, unterstützende Modelle, aber dennoch auch wertschöpfende, mehrwertige Arbeiten.

Fazit

Seinen Arbeitsalltag selbstbestimmt gestalten zu können ist also nicht selbstverständlich und kann durch verschiedene Störfaktoren zur Herausforderung werden. Ein fehlendes Arbeitszimmer wird so sogar zur „Blockade“ für die Familie. Aber auch mit Arbeitszimmer, scheint die Abgrenzung von Privatem und Beruflichem nicht immer zu funktionieren, vor allem, wenn es um den Feierabend geht. Insgesamt ermöglich der separate Raum aber ein konzentriertes und ungestörtes arbeiten

David und Markus sind sich einig, dass der Kontakt zu den Kollegen zu kurz kommt. Sei es für fachliche Abstimmungen oder den kurzen Austausch in der Kaffeepause - der persönliche Kontakt kann durch Online-Meetings nicht ersetzt werden. 

Dennoch sagen beide, und sehen damit eine ähnliche Entwicklung im Umfeld: der Vorteil der Flexibilität und somit die bessere Vereinbarung vom Privat- und Berufsleben sollte sich in Form von hybriden Modellen etablieren. Insbesondere ist es von Vorteil, wenn Mitarbeitende darüber selbst entscheiden können.

Um ein schöneres Gesamtbild zubekommen, stellen wir euch im nächsten Artikel die Rückmeldungen von Rüdiger und Steffen vor…


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