Eine solide Strategie bildet das Fundament jedes erfolgreichen Unternehmens. Getrieben durch Faktoren wie die Digitalisierung sind viele Branchen jedoch von hoher Dynamik geprägt. Wer mithalten will, muss flexibel, dynamisch und eben auch agil bleiben. Wir sprechen mit Martin Ehret, Andreas Adam und Prof. Dr. Philipp Janetzke über das Spannungsfeld zwischen Strategie und agilem Management.

Was steht zwischen Strategie und Agilität?

Martin Ehret: Stragile. Der Begriff bringt zwei Pole zusammen. Ein Kapitän weiß, wo sein Ziel liegt und welche Strategie er verfolgt, um hinzugelangen. Wenn aber plötzlich ein Eisberg auftaucht? Dann bleibt zwar sein Ziel dasselbe, aber er muss seine Strategie anpassen. Nun haben es Unternehmen in der heutigen Zeit nicht nur mit einem Eisberg zu tun, sondern es tauchen immer mehr Eisberge auf. Also müssen sie die Strategie immer öfter anpassen.

Philipp Janetzke: Wir denken nur vermeintlich in zwei gegensätzlichen Polen. Dabei kann man strategische Planungen agil abbilden: mit sogenannten Agilitätsprinzipien, wie z.B. höhere Flexibilität durch geringere Detailtiefe und erweiterte Freiheitsgrade auf nachgelagerten Ebenen, die helfen, Hindernisse oder veränderte Rahmenbedingungen einzuberechnen und darauf zu reagieren. 

Andreas Adam: Die Agilitätsprinzipien verbinden verschiedene Planungsebenen. Dass der Kapitän von A nach B will, ist nur eine erste, strategische Ebene. Zweite Ebene: Wenn er das erreichen will, muss er die benötigten Mittel zur Verfügung stellen: ein Schiff, Personal, Proviant. Dritte Ebene: Er fragt sich, welche Route er konkret nimmt, wie er sich also am Steuer verhält. Es ist relativ leicht nachzuvollziehen, dass er auf der letzteren Ebene agil handeln kann, denn Agilität liegt im Tun. Doch wir können mit diesem Gedanken wieder zurück zur Strategie. Auch die hat eine Handlungsebene. Anstatt einen rein theoretischen Gesamtplan zu entwerfen, fragt sich der Kapitän dann, was er tun will – und zwar wieder und wieder, um die Strategie stets zu aktualisieren.

Werden auch strategische Ziele flexibel?

Janetzke: Agile Methoden sind entstanden, weil die unflexiblen Wasserfall-Modelle hinterfragt wurden, die nicht mehr die gewünschten Ergebnisse erbrachten. Rahmenbedingungen hatten sich schneller verändert als mit dieser Methode umsetzbar. Bei Projektende gab es plötzlich mehr und andere Variablen als beim Start. Agiles Management stellt die Teams mit ihren Ideen, Innovationen und Freiheitsgraden in den Vordergrund, bezieht intensiv die Kunden ein und denkt in Prototypen sowie Modulen. Das ist mit agiler Vorgehensweise gemeint – nicht, das Ziel ständig anzupassen.

Adam: Aus der Kybernetik kennen wir nicht nur Feedback, sondern auch Feedforward. Ein klassisches Feedback ist, wenn Eisberge auftauchen, die ich umschiffen muss, weil ich mein Ziel erstmal unverändert lassen möchte. Mein Ziel hat also ein Feedback auf meine Methoden oder Aktivitäten. Beim Feedforward ändern sich Rahmenbedingungen so stark, dass man das Ziel anpassen muss. Wir sollten Ziele nicht leichtfertig aufgeben; ebenso leichtsinnig wäre es aber, das Feedforward auszublenden. 

Welche Herausforderungen entstehen daraus für Unternehmen?

Ehret: Organisationsstrukturen, die gesamte Kultur, ist bei vielen Unternehmen noch nicht für die Agilität ausgelegt. Es kann schon überfordern, Feedback zu aggregieren – geschweige denn, darauf angemessen zu reagieren. Feedforward-Überlegungen finden oft gar keinen Platz. Stattdessen ist Vieles noch hierarchisch organisiert, folgt alten Denk- und Planungsmustern oder alten Budgetierungsprozessen. Dazu kommen mitunter Leute, die mit agilen Methoden durchzubrechen versuchen, ohne zu verstehen, dass es einen Prozess braucht, um eine Unternehmenskultur hin zu mehr Agilität zu bewegen.

 Janetzke: Oft sehen wir Inseln aus agilen Teams. Wenn es nicht gelingt, die in das ganze Unternehmen miteinzubeziehen, entsteht nicht nur Frust, sondern dann wird auch deren Potenzial nicht genutzt. Wenn ein agiles Team einen Softwareprototypen entwickelt, dem in der klassischen Abfolge der Qualitätssicherung eine Priorität zugeteilt wird, dann wird der vielleicht nur sehr spät oder gar nicht umgesetzt. Aus Sicht des Projektteams sind Zeit, Kreativität und Energie umsonst, weil die Entwicklung in einem Standardprozess hängenbleibt. Als Unternehmen muss man daher umfassend und mit einer gewissen Konsequenz agil gestalten und priorisieren.

Adam: Vereinfacht kann man sagen: Wenn die Umwelt immer dynamischer wird und wir es mit fast schon „disruptiven“ Phänomenen wie der Digitalisierung zu tun haben, dann können sich Unternehmen immer weniger an festen Vorgaben entlanghangeln. Stattdessen müssen sie immer mehr mitdenken und in fast allen Bereichen adaptiver werden. Das fängt bei den Mitarbeitern an: Wer kann solche Entwicklungen mittragen, wenn nicht sehr verständige und gut geschulte Leute, die nicht nur strategischen Vorgaben folgen, sondern mit schnellen Änderungen umgehen können und auch unter veränderten Bedingungen Qualität liefern? Auch das ist eine ganz kritische Frage für die Zukunft. 

Ehret: Wenn Mitarbeiter auf verschiedenen Ebenen Entscheidungen treffen, muss man im Unternehmen auch zulassen, dass die Fehler machen können. Man muss von beiden Seiten aus bereit sein, Risiken einzugehen. Wenn man Entscheidungskompetenzen verlagert, darf man nicht repressiv reagieren, wenn mal etwas daneben geht. 

Janetzke: Zum unternehmerischen Denken reicht nicht nur der Unternehmer selbst, sondern auch die Mitarbeiter spielen mit ihren Ideen eine zentrale Rolle. Dafür müssen die aber – in einem definierten Rahmen – ähnliche Freiheiten bekommen.

Was bedeutet das für die Strategieberatung und Projektpraxis der ajco?

Ehret: Wir helfen, alte Denkmuster in strategischen Prozessen bis hinunter in die Projekte zu durchleuchten. Wenn der Kapitän auf der Brücke flexibel reagieren will, muss er Entscheidungskompetenzen festlegen und weiter nach unten verlagern. Damit Entscheidungen schnell und richtig gefällt werden können, müssen dann alle Beteiligten Zugriff auf die notwendigen Informationen haben. Agilität heißt nicht, dass jeder tut was er will. Im Gegenteil: Die Prozesse müssen umso klarer sicherstellen, dass Information und Kompetenz am richtigen Zeitpunkt bei den richtigen Leuten zusammenkommen. Dass das funktioniert, ist mitunter Aufgabe der ajco. Außerdem sehen wir nicht nur Eisberge, sondern auch Abkürzungen, mit denen unsere Kunden schneller an ihr Ziel kommen.

Adam: Nehmen wir an, es gäbe die Antipoden Vertrieb und Compliance. Wir verstehen den Vertrieb und die IT so gut, dass wir da definitiv gestalten können. Compliance verstehen wir, sind aber keine Juristen. Wir entwerfen Lösungen für die Herausforderungen unserer Kunden, die erstens vertrieblich handhabbar sind, zweitens die IT-Kosten im Griff halten, und drittens nicht so kompliziert sind, dass sie in der IT gar nicht mehr umsetzbar sind.


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